Das Heidenheimer Naturtheater Die Heidenheimer Volksschauspiele haben sich in dem Zeitraum von nahezu 40 Jahren so sehr in das kulturelle Leben Heidenheims eingefügt, als würden sie mindestens schon ein Jahrhundert bestehen und dem geistigen Gesicht der Stadt durch Generationen hindurch den Stempel aufgedrückt haben. Das Geheimnis zu den großen, anhaltenden Erfolgen im Naturtheater liegt darin, daß die führenden geistigen Kräfte und sämtliche Mitwirkenden, welche sich jahraus, jahrein in bewundernswerter Hingabe zur Verfügung stellen, den Impuls zum Handeln lediglich schöpfen aus dem Idealismus und keinerlei wirtschaftlichen Vorteile aus ihrer Mitarbeit erwarten, noch erzielen können.
Die Gründung der Volkskunstvereinigung Heidenheim Als im Mai 1919 diese volkskünstlerische Vereinigung
in Heidenheim gegründet wurde, da bedeutete diese Neubildung eines Vereins
zunächst ein Sammeln der Männer und Frauen, die schon in den Jahren
vor dem ersten Weltkrieg und dann erneut gegen Ende und nach Schluß
dieses Krieges sich in der damals üblichen Weise in Vereinen und Gesellschaften
schauspielerisch betätigt hatten.
Erbauung des Naturtheaters Nach wenigen Jahren erwies sich die Stätte der praktischen
Volksbildungsarbeit der Heidenheimer Laienspieler, der 800 Personen
fassende Konzerthaussaal, als zu klein für das Wollen der Vereinigung.
Die 5 Jahre von 1919 bis 1924 waren die Lehrjahre für die an Zahl und
innerer Kraft wachsende Spielgemeinschaft. Nun sah die Vereinsleitung
die Pflicht des Wirkens in die Breite und Tiefe vor sich. Nach beendigter
Inflationszeit, ohne eigene finanzielle Mittel, ohne staatliche und
städtische Unterstützung und bei ganz rarem Goldgeld wagten es die Laienspieler
im Jahre 1924, hinter dem Schloß Hellenstein eine eigene Freilichtbühne
zu schaffen, die in ein für diesen Zweck besonders geeignetes Waldgelände
eingebettet liegt.
Ungeahnte Erfolge Den Auftakt der volkskulturellen Arbeit im Naturtheater
konnte selbstverständlich nur der Dramatiker geben, dessen Geist bei
der Gründung der Vereinigung Pate gestanden hatte. Friedrich Schillers
Freiheitsdrama "Wilhelm Tell" war im Jahr 1924 die erste Dichtung
auf der Freilichtbühne. Nach beendigter Spielzeit war der Erfolg der
neuen Arbeit so stark in das Bewußtsein und in das Wollen der mehrhundertköpfigen
Laienspielgemeinde eingedrungen, daß alle wußten, für lange Zeit an
dieser selbstgewählten Aufgabe arbeiten zu dürfen.
Weitere Naturtheater-Aufführungen bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges
Alljährlich fanden 15 Aufführungen an den Sonntag-Nachmittagen statt.
Die Ergebnisse der selbstlosen Tätigkeit Diese sind äußerer und innerer Natur, sind sichtbar und unsichtbar, wägbar und unwägbar. Über die ersteren Formen freuen sich die Heidenheimer Laienspieler von Herzen:
Die inneren Erfolge sind jedoch entscheidend und kraft- und richtunggebend für die Zukunft des Naturtheaters. Die Laienspieler wollten die vielen Menschen der schwäbischen Heimat, die abseits der großen Städte wohnten, mit volksgemäßer dramatischer Kunst versorgen, sie wollten durch selbstlose Arbeit Teile des Volkes zu seinen Denkern und Dichtern führen. Aus solchem Wollen heraus mußten sich die Erfolge geistig-seelischer Art einstellen, die ungleich schwerer wiegen als alle Erfolge wirtschaftlicher Natur. Dabei sei in vorderster Linie erwähnt die Selbstlosigkeit, die sich das ganze Jahr hindurch in vielerlei Art und Weise bei allen Mitgliedern im Dienste der Vereinigung aufzeigt. Daraus ist auch zu erklären, daß diese Arbeit voll Idealismus bereits im Jahre 1931 eine besondere Anerkennung gefunden hat, nämlich die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und künstlerischen Werthaftigkeit und damit der Steuerfreiheit seitens des Württembergischen Kultministeriums.
Bereitschaft und Anerkennung bei den Zuschauern Jahr um Jahr kamen 40 000 bis 50 000 Menschen allsonntäglich
zu den Volksschauspielen in Heidenheim. Viele kamen, weil man in ihrer
heimatlichen Umgebung sagte: "Man müsse das Spiel in Heidenheim
gesehen haben." Schon von Anfang an war ein großer Teil der Besucher
aus innerem Antrieb gekommen und spürte das, was ihnen gegeben werden
wollte. Größer ist dann Jahr um Jahr die Zahl der Menschen geworden,
die zu den dargestellten Geschehnissen ein Herzensverhältnis bekommen
hatten und dem auch oft Ausdruck gaben.
Weiterführung der Volksschauspiele nach dem Zusammenbruch Übrig blieb ein großes Trümmerfeld. Grundstürzende Änderungen vollzogen sich, Millionen von Menschen waren erfüllt von dem Glauben an eine freie Zukunft. Inmitten der gewaltigen Umwandlungen und Bewegungen Anno 1945 rührte sich der ungebrochene Spielgeist der Heidenheimer Laienspieler, denn zu keiner Zeit brauchen die Menschen klarere Wertmaßstäbe mehr als in den Jahren schwerer Erschütterungen. Die Heidenheimer Volksschauspieler waren wiederum zur Stelle; sie hatten sich nach schweren Verwundungen, Kriegsgefangenschaft und Heimatlosigkeit wieder zusammengefunden und sie begannen, ihre volkskünstlerische Gestaltungskraft noch mehr zu vertiefen. Ja, sie verdoppelten ihre Bereitschaft, spielten nicht nur wie vordem an den Sonntag-Nachmittagen, sondern nun dazu noch an den Samstag-Abenden, und ringen seit ihrem neuen Spielbeginn im Jahr 1946 noch mehr um die Seelen der zu ihnen kommenden Besucher. Alle, die willigen Herzens sind, sollen durch die Naturtheateraufführungen für die entscheidenden Dinge des Lebens eine Klärung und Stärkung finden können. Noch mehr ist das Heidenheimer Naturtheater eine wirkliche Volksbühne geworden; die jährlichen Besucherzahlen in den Spieljahren 1946 bis 1961 schwanken zwischen 50 000 und nahezu 100 000. Überaus volkstümliche Spiele gaben den Auftukt, denen hernach klassische Dichtungen und Uraufführungen des schwäbischen Dramatikers Paul Wanner folgten:
Pläne für die Zukunft Im Jahre 1963 feiern die Heidenheimer Volksschauspiele
ihr 40jähriges Bestehen. Es ist gewiß nichts Alltägliches, wenn eine
große Vereinigung der Stadt Heidenheim Jahrzehnt um Jahrzehnt ihrer
kulturellen Tätigkeit treu bleibt, und wenn deren Mitglieder nach vorausgegangenen
70 Probetagen jeden Sommer hindurch bei 21 Aufführungen das Wochenende
für sie opfern, ohne daß an eine Bezahlung hierfür gedacht werden darf.
Aber nicht weniger groß ist, daß auch die Zuschauer von nah und fern
den Heidenheimer Volksschauspielen treu bleiben und an den Samstagen
und Sonntagen zu Tausenden herbeiströmen. In den Heidenheimer Volksschauspielen
hat die Kunst zu den Herzen der Besucher gefunden. Der Landtag und das
Kultusministerium von Baden-Württemberg, die Kreisverwaltung und Stadtverwaltung
haben insbesondere in den Jahren seit 1960 durch Staatsbeiträge und
Zuwendungen ihre Anerkennung der Laienspielergemeinde gegenüber bekundet. |