Heidenheimer Chronik 1923

     

Januar | Februar | März | April | Mai | Juni | Juli | August | September | Oktober | November | Dezember


Januar 1923

1. 1.
Dr. Wulz wurde zum stellv. Vorsitzenden der Handelskammer gewählt.

28. 1.
Zu Mitgliedern der Handelskammer wurden gewählt: auf 6 Jahre Adolf Raichle, Kaufmann; auf 3 Jahre Dr. Hermann Voith, Fabrikant.

Februar 1923

Feb.
Gründung eines Gemeindevereins in Schnaitheim zwecks Hilfeleistungen in der Gemeinde.

9. 2.
Der Gemeindesekretär Ernst Langensee wurde durch Oberamtmann Pfleiderer als
neuer Ortsvorsteher von Mergelstetten eingesetzt.

15. 2.
Es verstarb im Alter von 43 Jahren der Inhaber des Bankgeschäfts Regensburger und Bühler, Theodor Bühler.
Oberamtsarzt, Medizinalrat Dr. Paulus wurde zum Gerichtsarzt für 4 Jahre (1923-1926) im Bezirk Ellwangen a. J. bestellt.

20. 2.
Die Firma Schwenk in Mergelstetten erhält die Erlaubnis, zwei weitere Mannstädt-Öfen in ihrem Zementwerk zu errichten.

27. 2.
Beiwahl zur Handelskammer. Dr. Zoeppritz, Mergelstetten, wurde auf die Dauer von 3 Jahren beigewählt.

März 1923

März / Juni

18 Heimstätten werden durch den Gemeinderat an die Bewerber zugewiesen. (Friedrich-Voithstraße und Schwabstraße). Außerdem wurde vom Gemeinderat beschlossen, 7 angefangene Wohnungsbauten in der Voithsiedlung noch in diesem Jahr fertigzustellen.

2. 3.
Die Anlegung der Theodor-Schaefer-Straße zwischen Beamtenhaus und Steinstraße wird vom Gemeinderat beschlossen. Aufwand 6 000 000 Mark.

24. 3. - 2. 4.
Es finden Passionsspiele durch die Volkskunst-Vereinigung statt.

April 1923

1. 4.
Die Tuberkulosefürsorgestelle wird ins Leben gerufen. Leitender Arzt ist Oberamtsarzt Dr. Paulus.
Die Inflation erfaßt auch Heidenheim. Von Mai bis Oktober wird pro Kopf der Bevölkerung monatlich 2 bis 3 Pfund Zucker aufgerufen. Im August 1923 kostet 1 Pfund Zucker 130 000 Mark.

29. 4.
Verbandstag des Bezirksvereins Württemberg im Deutschen Fleischerverband im Konzerthaus.
Schuhmachermeister Karl Hanselmann, Turnstr. 6, erhielt auf der Fachausstellung für das Schuhgewerbe vom 28. 6.-2. 7. 1923 in Leipzig für seine orthopädischen Arbeiten die goldene Medaille, Diplom und den 1. Ehrenpreis.

Mai 1923

1. 5.
Die Polizei wird verstaatlicht. Oberbürgermeister Jaekle bedankt sich für die bisher geleisteten treuen Dienste in der Stadt.

8. 5.
Die Kinderspeisung in Heidenheim und Schnaitheim beginnt wieder. Die Zahl der zu speisenden Kinder wurde auf 480 erhöht.

13. 5.
20jähriges Stiftungsfest des Radfahrervereins Mergelstetten.

14. 5.
Fahnenweihe des kath. Arbeiterinnen-Vereins in Verbindung mit dem 25jährigen Jubiläum des kath. Arbeitervereins.

Juni 1923

Juni
In Stadt und Kreis fanden 300 Ruhrkinder Aufnahme. Die Kinder sind privat untergebracht. (Ruhrbesetzung durch Frankreich).

1. 6.
Der Verbraucherpreis für 1 Liter Vollmilch beträgt 820 Mark.

9. 6.
Durch Beschluß der Generalversammlung wurde der Spar- und Creditverein Schnaitheim aufgelöst.

10. 6.
Der Zimmerschützenclub feiert sein 25jähriges Jubiläum.

22. 6.
Gemeindehaushalt Mergelstetten. Der Voranschlag zum Gemeindehaushalt des Jahres 1923 schließt mit einem Abmangel von 8 517 710 Mark, der durch eine Umlage von 300% der Ertrags-Kataster gedeckt wird.

23. - 24. 6.
4. Verbandstag der württ. Bürstenfabrikanten und selbständigen Bürstenmachermeister im Bahnhofhotel.

27. 6.
Große nationale Boxkämpfe finden in den Radsälen statt. Es treten bekannte Meister aus Hamburg, München, Frankfurt, Baden, Berlin, Amerika, Deutsch-Westafrika und Ostafrika sowie aus London auf. Eintritt 5 000 Mark, etwa 200 Zuschauer.

Juli 1923

1. 7.
Erhöhung der Wohnungsabgabe. 7 200% des Steueranschlags der Gebäude. Der gesamte Ertrag wird für Wohn-Neubauten verwendet.
Im ganzen Jahr wurden immer wieder Spenden für "Sammlung Ruhrhilfe", "Tübinger Studentenhilfe", "Sammlung Heimatnot" gesammelt.
Dem Haushaltsplan usw. wird wegen der Geldentwertung keine große Bedeutung zugemessen, er habe nur theoretischen Wert.

4. 7.
Der Brotpreis wird erhöht. 1 Markenbrot zu 930 Gramm kostet 1 250 Mark. 1 kg Mehl kostet 1 350 Mark.
Mit dem 15. 10. endigt die öffentliche Versorgung der Bevölkerung mit Mehl und Brot.
Die Rationierung wird aufgehoben.
Das Sammeln von Lindenblüten an den im Eigentum der Stadt stehenden Bäumen ist nur gegen Lösung eines Erlaubnisscheins und nur für den eigenen Bedarf gestattet. Die Gebühr für den Erlaubnisschein beträgt 600 Mark.

8. 7.
Gmünder Sängertag unter Beteiligung des Ost-, Hohenstaufen- und Silchergaues des Schwäb. Sängerbundes. Ehrenvorsitzender war der Präsident des Schwäbischen Sängerbundes, Oberbürgermeister Jaekle. Vom Sängerclub nahmen 90 Sänger und vom Sängerkranz 100 Sänger teil.
Missionsfest in der Pauluskirche.

12. - 17.7.
Zahlreiche Turner besuchen das Deutsche Turnfest in München. Hans Theilacker, Schnaitheim wird Sieger im Neunkampf und sein Sohn Wilhelm Theilacker wird Sieger im 10- und 12-Kampf. Der Turnverein hat zu verzeichnen: 2 Sieger im Zwölfkampf: Hugo Streppel und Karl Mangold, 4 Sieger im volkstümlichen Turnen:
Adolf Renner, Adolf Raichle, Granich und Jakob Sulger, 2 Siegerinnen im volkstümlichen Turnen: Frida Funk und Martha Funk.

21. 7.
25jähriges Stiftungsfest des Kaufmännischen Vereins.

25. 7.
Jakobi-Viehmarkt. Die behördlichen Organe und Käufer waren zur Stelle, aber das Vieh blieb aus.

28. 7.
Im unteren Saal des ehemaligen Schulhauses in Mergelstetten wird eine Jugendherberge eingerichtet und der Öffentlichkeit übergeben (40 Betten)

30. 7.
Schafmarkt. Beigeführt 369 Stück, Verkauft 219 Stück, Gesamterlös: 538 000 000 Mark. Durchschnitt für 1 Stück 2 256 600 Mark.

August 1923

Aug.
Scharfes Eck hat geschlossen. Der Besitzer hat die Räume an die H. Waltenberger und Co. GmbH Heydekopf-Spielwaren abgegeben. Die Firma stellt Puppen her. Gleichzeitig hat auch die Gastwirtschaft zur Linde in Mergelstetten einer Puppenfabrik Platz gemacht.
50 erholungsbedürftige Kinder finden in der Art einer Tagesferienstätte im Waldheim der Gewerkschaft und im Schützenhaus der Schützengesellschaft 4 Wochen Entspannung und Erholung.
Die Stadtwerke befinden sich in Finanznot. Öffentlicher Brief an die Bevölkerung zwecks Verständnis für schnelle Einziehung der Verbrauchsgebühren.

12. 8.
Verfassungsfeier im Konzerthaus. Rede des Oberbürgermeisters Jaekle.

September 1923

Sep.
Gründung der Ortsgruppe Mergelstetten der "Naturfreunde" unter Karl Joas. Firma Voith baut 1 Einfamilienhaus hinter der Voithsiedlung und 3 Siedlerhäuser zu je 4 Familien am Steinbruch.
Firma Ploucquet schafft durch Umbau der früheren Färberei neue Wohngelegenheiten.

3. 9.
Gaspreis 280 000 Mark/cbm. Lichtstrom 700 000 Mark/kWh. Kraftstrom 520 000 Mark/kWh.

9. 9.
1 Liter Vollmilch kostet 460 000 Mark. 1 Liter Magermilch kostet 200 000 Mark.

12. 9.
Gemeinderat beschließt Erhöhung der Einwohnersteuer (früher Wohnsteuer) von 10 000 Mark auf 300 000 Mark. Hundesteuer wird ab 1. 10. neu festgesetzt auf 30 000 000 Mark.
Vom Gemeinderat wird wegen der Finanznot die vorläufige Schließung des Volksbades beschlossen.

20. 9.
Die Firma Voith erhält die Erlaubnis, die Friedrichstraße mit einer Schiebebahn und die Bleichstraße mit einem Heizkanal zur neuen Montagehalle zu überqueren.

22. 9.
Dankestag für die von Amerika aus ins Leben gerufene Kinderspeisung. Am Anfang hatte sie den Namen "Quäkerspeisung". Seit über 2 Jahren wurden in Kreis und Stadt durchschnittlich rund 400 Kinder gespeist.

23. 9.
Der evang. Mädchenverein begeht sein 40jähriges Jubiläumsfest.

27. 9.
Ausnahmezustand, wie in ganz Württemberg.

29. 9.
Nach Mitteilung des Wohnungsamtes beträgt die Gesamtmonatsmiete für ein mittleres möbliertes Zimmer im Monat September ohne Wohnungsabgabe 190 000 000 Mark ohne Bettwäsche, 220 000 000 Mark mit Bettwäsche.

Oktober 1923

Okt.
Wegen der rasenden Geldentwertung werden von den Industriefirmen an den Zahltagen Schecks auf hiesige Banken ausgestellt, da nicht genügend Reichsgeld zur Verfügung steht. Im Zeitpunkt der Stabilisierung der Reichsmark ging die Firma J. M. Voith durch die Auszahlung von wertbeständigem Geld allen führend voran.

1. 10.
Einführung der Getränkesteuer (ausgenommen für Bier). Mergelstetten folgt am 1. 1. 1924.

7. 10.
Gründungsversammlung der Zwangs-Innung für das Sattler- und Tapeziergewerbe im Waldhorn.

8. 10.
Die Reichsindexziffer für die Lebenshaltungskosten (Ernährung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung und Bekleidung) beläuft sich nach Feststellungen des Stat. Reichsamtes für den 8. Oktober auf das 109millionenfache der Vorkriegszeit. Der Bezugspreis des Grenzboten betrug im Januar monatlich 700 Mark, im Dezember wöchentlich 500 Milliarden Mark. Postgebühren im Januar: 1 Brief im Ortsverkehr bis 20 Gramm 20 Mark, 1 Brief im Fernverkehr bis 20 Gramm 50 Mark.
Postgebühren ab 12. November: 1 Brief im Ortsverkehr bis 20 Gramm 5 Milliarden Mark, 1 Brief im Fernverkehr bis 20 Gramm 10 Milliarden Mark.
Eisenbahnfahrpreise; 1. 2. Von Heidenheim nach Giengen (Brenz) 3. Klasse einfache Fahrt 144 Mark. Eisenbahnfahrpreise 25. 10. Von Heidenheim nach Giengen (Brenz) 3. Klasse einfache Fahrt 600 000 000 Mark.

18. 10.
Ansammlung der Erwerbslosen vor dem Rathaus. Durch Abordnung wurden folgende Forderungen gestellt: 1. Ausbezahlung einer Wirtschaftsbeihilfe von 30 Milliarden Mark pro Kopf. 2. Lieferung von je 5 Zentner Kohlen und Kartoffeln.
3. Lieferung verbilligten Brotes und Fetts. 4. Unentgeltliche Belieferung von Milch, Brot und Speisung an die Kinder der Erwerbslosen.

November 1923

18. - 25. 11.
Der Münchner Künstlerbund "Ring" veranstaltet mit Förderung der Stadt im Konzerthaus eine große Kunstausstellung.

22. 11.
Die Einrichtung einer Wärmestube für Erwerbslose wird genehmigt.

Dezember 1923

1. 12.
Regierungsrat Schüz, Finanzamtsvorsteher, trat in den Ruhestand. Er wurde im Mai 1907 als Amtsvorsteher nach Heidenheim versetzt.
75 Jahre "Der Grenzbote".

6. 12.
Es wird die Einrichtung einer Speisegelegenheit für bedürftige Einwohner (Erwerbslose und Rentner) beschlossen. Ausgabe im Gasthaus zum Waldhorn.

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