Heidenheimer Chronik 1920

     

Januar | Februar | März | April | Mai | Juni | Juli | August | September | Oktober | November | Dezember


Januar 1920

2. 1.
In einer Führerversammlung der Einwohnerwehr in der Voithschen Kantine faßt die Versammlung eine Resolution an die Württ. Staatsregierung wegen der dauernd steigenden Preise für Lebensmittel und die notwendigen Gebrauchsgegenstände.

8. 1.
Der Gemeinderat genehmigt die von der Gemeinde Mergelstetten vorgelegten Vertragsentwürfe, wonach die Firma Zoeppritz, welche bisher den Strom an Mergelstetten geliefert hat, sich verpflichtet, aus ihren Wasserwerken in Mergelstetten und Wangenmühle elektrischen Gleichstrom mit 2 mal 220 Volt
Spannung dem Städt. Elektrizitätswerk zu liefern, welches seinerseits dann die Gemeinde Mergelstetten mit Strom versorgt.

17. 1.
Durch die am 26. 10. 1919 in der Landeshauptstadt erfolgten Wahl des Oberbürgermeisters Eugen Jaekle zum Bundespräsidenten des Schwäb. Sängerbundes ging die altehrwürdige Fahne des Schwäb. Sängerbundes an den Sitz der Bundesleitung über.

21. 1.
Beginn der Heidenheimer Volkshochschulkurse.

29. 1.
In einer öffentlichen Gemeinderatssitzung wird der Beschluß gefaßt, den Waldschutz im Gemeindewald Schnaitheim durch städtisches Personal durchführen zu lassen.

Februar 1920

7. 2.
Eine große Anzahl schwäbischer und anderer Künstler hervorragender Namen haben sich im Brenzschulgebäude zu einer großen Kunstschau zusammengefunden.

24. 2.
Die Verwaltungsabteilung beschließt die Beschaffung von 2 harmonisch zusammenklingenden Stahlgußglocken für das Uhrschlagwerk der Bergschule. Kostenpunkt 650 Mark. Glockenweihe am 11. 10. 1920. Von der Anschaffung einer Glocke für die Uhr auf dem Türmle im Flügel wird Abstand genommen.

29. 2.
Der Oratorienverein Heidenheim führt im Konzerthaus die "Schöpfung" von Haydn unter Musikdirektor G. Rümelin auf.
Nach 20jähriger Tätigkeit von Karl Schnell wird Karl Bausch neuer Musikdirektor der Stadtkapelle.

März 1920

1. 3.
Infolge der eingetretenen gewaltigen Steigerung der Kohlenpreise sieht sich der Gemeinderat gezwungen, eine erneute Steigerung der Preise für Gas, elektrischen Strom und Koks zu beschließen. Es betragen die Kosten für 1 cbm Gas 1.20 Mark gegenüber bisher 80 Pf. 1 kW elektr. Strom 1.70 Mark gegenüber bisher 1.30 Mark. 1 kW elektr. Kraftstrom 1.20 Mark gegenüber bisher 80 Pf. Der Kokspreis wird vom 1. 4. an von 11 Mark auf 16 Mark pro Zentner erhöht.

5. 3.
Vorführung und Musterung der Pferde, welche aus dem Bezirk an die Entente abzuliefern waren. Von 44 vorgeführten Pferden wurden 20 Pferde angekauft. Ein Hengst wurde mit 31 000 Mark bezahlt.

10. 3.
Der Vorsitzende des Gemeinderats gibt bekannt, daß nach einer Mitteilung der Firma Magirus in Ulm sich die Herstellungskosten für die in Auftrag gegebene benzinautomobile Magirus-Motorspritze seit dem Tag der Bestellung von 44 000 Mark auf 140 000 Mark erhöht haben. Diese erste Motorspritze der Stadt trifft am 23. 7. ein.
Der Gemeinderat beschließt auf Ansuchen des Schwimmvereins 1904 die Wiedereröffnung des Volksbades zum 1. Mai, da zu hoffen ist, daß mit dem Wegfall der Heizung in den Schulhäusern die zum Betrieb des Bades notwendigen Kohlenmengen vorhanden sein werden.

30. 3.
Begrüßungsfeier am Palmsonntag durch die Kirchengemeinde Schnaitheim für die zurückgekehrten Kriegsgefangenen. Es kehrten glücklich 43 Männer heim.

April 1920

1. 4.
Die Stadtkassen I und II (Stadtwerke) werden getrennt.

7. 4.
Dr. Theodor Heuss spricht hier.
Einem erneuten Gesuch des Wirtsvereins der Stadt gegenüber kann sich der Gemeinderat der Notwendigkeit einer weiteren Erhöhung des Mostpreises nicht verschließen und setzt den Ausschankpreis für das Liter Most auf 1.60 Mark fest.

11. 4.
In der Pauluskirche wurden konfirmiert 102 Knaben und 93 Mädchen. In der Michaelskirche wurden konfirmiert: 45 Knaben und 35 Mädchen. In Schnaitheim wurden konfirmiert: 59 Knaben und 49 Mädchen. In der kath. Stadtpfarrkirche empfingen 28 Knaben und 33 Mädchen die erste heilige Kommunion.

27. 4.
Eine der bekanntesten Persönlichkeiten unserer Stadt, Herr Professor Gaus, feiert seinen 70. Geburtstag. Er wird zum Ehrenmitglied des Schwäb. Albvereins ernannt.

29. 4.
Susanne Schmidt zieht als erste Frau in den Gemeinderat ein.

Mai 1920

1. 5.
Oberlehrer Mayer begeht sein 50jähriges Dienstjubiläum in Verbindung mit der Feier seiner 40jährigen hiesigen Berufstätigkeit.

9. 5.
Die Stadtpflege legt eine Rechnung über die Kriegswirtschaft und
die öffentliche Bewirtschaftung von Lebensmitteln in der Zeit
vom 2. 8. 1914 bis 30. 6. 1919 auf.
die eigentliche Kriegswirtschaft 1 893 698 Mark
Lebensmittelversorgung 4 729 877 Mark
Kriegswohlfahrtspflege 400 000 Mark
Erwerbslosenunterstützung 668 000 Mark
Mittelstandshilfe 107 000 Mark
Ferienkolonien 4 200 Mark
Kriegskinderküche 8 000 Mark
Bürgerheim 99 000 Mark
Armierungsarbeiten, Einquartierung, Liebesgaben,
Lazarett im Konzerthaus, Spenden und Beiträge,
Metallabgabe und dgl.
103 000 Mark
Verwaltungskosten, Lebensmittelkarten 81 500 Mark
Kartoffelversorgung (108 000 Ztr.) 720 000 Mark
Milchversorgung (1 455 000 l) 460 700 Mark
Butterversorgung 500 000 Mark Eierversorgung 457 000 Mark
Fleischwaren 636 000 Mark Dörrobst 61 000 Mark
Gemüse 168 000 Mark Weißkraut 48 500 Mark
Graupen 60 000 Mark Käse 152 000 Mark
Marmelade / Honig 182 000 Mark Teigwaren 182 000 Mark
Zucker 292 000 Mark    

18. 5.
Beerdigung des ev. Mesners Andreas Kicherer im Alter von 82 Jahren. Kicherer, ein Stück Alt-Heidenheim, war von Beruf Graveur und 50 Jahre lang Mesner.
In der Firma Heinrich Kurtz, Glockengießerei in Stuttgart, werden 3 Glocken für die evang. Pauluskirche gegossen, als Ersatz für die während des Krieges abgegebenen Glocken. Weihe der Glocken am 30. 5. 1920. Die Firma J. M. Voith liefert das Metall.

25. 5.
Einweihung eines schlichten Steindenkmals auf der Markung Rankerseck in Schnaitheim für den am 5. 12. 1919 an einem Schlaganfall jäh aus dem Leben geschiedenen Forstmeister August Weizsäcker.

Juni 1920

6. 6.
Wahlen
  Reichstagswahl   Landtagswahl  
  Heidenh. Mergelst. Heidenh. Mergelst.
Kommunistische Partei 431 53 440 53
Unabh. Sozialdemokraten 1 915 77 1 889 83
Sozialdemokraten 2 480 328 2 459 326
Deutsche demokr. Partei 1 726 131 1 775 132
Zentrum 504 6 510 6
Bauernbund 197 84 200 91
Deutsche Volkspartei 335 28 280 20
Bürgerpartei 676 46 700 47
ungültig 432 35 432 35
Beerdigung von Oberamtspfleger Wilhelm Theilacker, der im 57. Lebensjahr aus dem Leben schied.

22. 6.
Demonstrationsversammlung vor dem Rathaus gegen Wucher und Teuerung. Firma Voith hatte um 10 Uhr morgens den ganzen Betrieb geschlossen.

23. 6.
Kirschenaffäre auf dem Wochenmarkt. Schließung aller hiesigen Fabriken durch die Fortdauer der Teuerungskrawalle und Bildung einer bewaffneten Arbeiterwehr nach Entwaffnung der Einwohnerwehr. Wiederaufnahme der Arbeit am 29. 6. 1920.

24. 6.
In einer Sitzung der Stadtväter gab der Vorsitzende seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß die unruhigen Tage in der Stadt ohne Blutvergießen verlaufen sind.

26. 6.
Nachdem es im Anschluß an die Teuerungsdemonstration in den letzten Tagen in der Stadt zu ungesetzlichen Zuständen gekommen ist, rücken in den frühen Morgenstunden Polizeiwehrtruppen in die Stadt ein und besetzen dieselbe. Die Haupträdelsführer des bisherigen Aktionsausschusses werden in Haft genommen und über die Stadt wird der Belagerungszustand verhängt.

Juli 1920

5. 7.
Einweihung des mit bescheidenen Mitteln neu hergerichteten Flußbades in der Brenz nördlich der WCM.

19. 7.
Gründung eines Luftbadevereins. Dem Verein wird von der Stadt der über dem "Stein" und unter dem "Paradies" gelegene Steinbruch überlassen.

August 1920

10. 8.
Demonstrationsversammlung der Arbeiterschaft vor dem Finanzamt wegen des 10%igen Steuerabzugs.

22. 8.
Einweihung des CVJM-Vereinshauses in Schnaitheim.

28. 8.
Heldenfinger Raubmord auf dem Albvereinsweg Heidenheim-Heldenfingen durch einen russischen Kriegsgefangenen.

29. 8.
15jähriges Bestehen des Arbeiterturnvereins Schnaitheim.
Der Zimmerschützenclub weiht sein Schießhaus auf dem Galgenberg ein.

30. 8.
Generalstreik.

September 1920

18. 9.
Brand im Karolinenstift (Feuerprobe der neuen Motorfeuerspritze).

Oktober 1920

1. 10.
In Heidenheim werden 40, in Schnaitheim 15 Gaslaternen zur Straßenbeleuchtung in Betrieb genommen.

9. 10.
Vergebung der Bauarbeiten für die von der Stadt erworbene "Traube", dadurch werden 9 Wohnungen und Räume für die Ortskrankenkasse gewonnen. Ankauf der "Traube" für 140 000 Mark.

10. 10.
Weihe der 2 neuen Klangstahlglocken von Firma Hörz, Ulm, in der Evang. Kirche Schnaitheim. d-Glocke, 244 kg, gestiftet von Gustav Schurz, Birkesdorf; f-Glocke, 142 kg. Kosten für beide Glocken zusammen 7 600 Mark. Nur die alte Glocke von 1484 überdauerte den Krieg.

15. 10.
Auflösung des städt. Lebensmittelamtes.

23. 10.
Nach Anfrage im Reichsverkehrsministerium ist der Bahnbau Gerstetten-Herbrechtingen gestrichen worden.

29. 10.
Einweihung der Totenbergkapelle nach Instandsetzung durch den Verschönerungsverein.

November 1920

2. 11.
Gedächtnisfeier für die Gefallenen, zugleich Einweihung des Ehrenfriedhofs und Einweihung der Gedächtniskapelle auf dem Totenberg.

13. 11.
Speisung von Kindern durch die Kinderhilfsmission (Quäker).

23. 11.
Einweihung des Kriegerdenkmals in Schnaitheim.

Dezember 1920

7. 12.
Beratungen über die Einrichtung einer Kraftwagenlinie Gerstetten-Heidenheim-Nattheim.

15. 12.
Ankunft der 2 Michaelskirchenglocken, die am Heiligen Abend eingeläutet wurden. Die alte Glocke von Neidhardt hatte den Krieg überdauert.

24. 12.
Fabrikant Ehrenbürger Fritz Pfenning verstorben.

 

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